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AutorenbildClaudia

Koloniale Grüße einer Reisenden Teil III - Die Macht der Bilder


Wie die Geschichte zeigt, wird die Konstruktion von „Europa“ und „Weiß sein“ als einzig relevanter Weltmaßstab angesehen. Insbesondere die Philosophen der „Aufklärung“ nahmen sich das Recht heraus bzw. die Idee, „Entwicklung“/„Fortschritt“ mit der Einteilung von Menschen in „Rassen“ zu verknüpfen. Diese Einteilung führte dazu, das Afrika regelrecht als „geschichtsloser“ Kontinent fixiert wurde.


Aus sehr vielfältigen Gründen durchdringt eine Art rassistisches Alltagsbewusstsein die heutige Gesellschaft. Insbesondere Medien arbeiten stark mit diesem Alltagsbewusstsein, denn sie arbeiten im Zusammenhang mit Rassismus über die Produktion und Transformation von Ideologien. Dabei stellt Sprache ein zentrales Medium dar, in dem verschiedene ideologische Diskurse ausgearbeitet werden. Medien fungieren als „ideologische“ Apparate, die gesellschaftliche Bedeutungen „produzieren“ und in der Gesellschaft verbreiten. Sie stellen also wichtige Orte der Produktion, Reproduktion und Transformation von Ideologien dar. Institutionen wie Medien haben insofern eine zentrale Bedeutung, da sie ein Teil vorherrschender „ideologischer Produktionsmittel“ sind. Im Grunde sind es ihre „Produkte“, die Repräsentation der Gesellschaft, Beschreibungen, Bilder und Erklärungen, die erklären, wie die Welt aussieht und warum sie so funktioniert, wie sie dem Zeigen und Sagen nach funktioniert. Neben vielen ideologischen Produkten findet sich auch die von den Medien konstruierte Definition dessen, was „Rasse“ ist und welche Bedeutung die Bilderwelt der „Rasse“ trägt. Die Medien stellen nicht nur eine machtvolle Quelle von Ansichten über „Rasse“ dar, sie sind auch einer der Orte, an dem diese Vorstellungen artikuliert, transformiert, um- und ausgearbeitet werden. Sie tragen dazu bei, die Welt im Rahmen der Kategorien von „Rasse“ einzuordnen.


In der Geschichte der Dominanz des Globalen Nordens über den Globalen Süden spielten Bilder schon immer eine wesentliche Rolle. Der rassistische Blick auf das „Fremde“ schlug sich in der Kolonialzeit häufig in Dokumentationen der sogenannten Völkerkunde nieder. Fotografien und Zeichnungen waren damals fester Bestandteil der Beforschung und „Vermessung“ von Menschen stammend aus dem Süden. Sie wurden in das untere Ende der „Rassenskala“ verortet. Aufgrund der technologischen Entwicklung ist es heute unvergleichbar einfacherer, überall zu filmen und zu fotografieren, um sie danach für viele zugänglich ins Netz zu stellen oder anders zu verbreiten.


In ihrer medialen Allgegenwärtigkeit haben Bilder und deren ständige Wiederholung eine große Macht. Bilder sind oft viel einprägsamer als Worte und Sprache. Sie gehen über die Gefühlsebene des Menschen, da Bilder an Unbewusstes und an eigene Erinnerungen anknüpfen. Selbst gemachte Fotos oder Filme stehen auch immer unter der Beeinflussung durch in Europa vorherrschenden Bildern, Fantasien und Vorstellungen, die den Alltag prägen. Die Frage, die sich hier vor allem stellt, ist, wie werden Menschen des Globalen Südens in Büchern, Zeitungsartikeln, Filmen, auf Werbeplakaten und vor allem in Spendenwerbungen dargestellt und in welchem thematischen Kontext tauchen sie wiederholt auf? Spendenwerbungen beispielsweise bilden People of Colour (PoC) ab und werden mit Themen wie Armut, Not und Elend in Verbindung gebracht. Eindrücke die auf Reisen gesammelt werden, laufen zumeist durch einen von zu Hause geprägtem Filter. Viele Reisende fotografieren deshalb nahezu ausschließlich jenes, was sie bereits aus Medien, Reiseführern, Werbung oder Urlaubsfotos von anderen kennen. Dazu zählen neben Sehenswürdigkeiten vor allem auch Armut und Motive, die den Wunsch nach Romantik und „Exotik“ stillen (wie beispielsweise Massai und Sonnenuntergänge in Kenia – bestenfalls mit Giraffen oder Zebras im Hintergrund). Sehr häufig finden sich in Texten und Fotos, in denen über Aufenthalte in Globalen Süden berichtet wird, (kolonial)-rassistische und kapitalistische Denkmuster. So ist die Darstellungsweise des Globalen Südens oftmals mit Abenteuer, die es zu bestehen gilt, verknüpft. Dies hat sich im Kontext der Eroberungen und Kolonisierungen herausgebildet. Wie thematisiert, beruhen diese Darstellungsweisen darauf, dass der Süden (nach wie vor) als ungebändigt, schmutzig, unzivilisiert und wild abgewertet wird. Auch heute noch ist es zu beobachten, dass sich Berichte über Aufenthalte im Globalen Süden auf Extreme konzentrieren, sprich auf Erlebnisse, die ganz „anders als zu Hause“, „abenteuerlich“ und „extrem krass“ sind. In diesen Beschreibungen stecken jedoch, wenn auch unbewusst, Bewertungen. Wie eingangs erwähnt – werden eigene Wahrnehmungen stark durch Erzählweisen der Literatur und Medien beeinflusst wie beispielsweise Bilder von Armut oder Brutalität, Farbenpracht, Schmutz, etc. Mithilfe der Darstellung von Extremen erscheint der Reisende/die Reisende regelrecht als (aufopferungsvolle) Abenteuer*in oder/und Held*in.


Auch Stuart Hall thematisiert verfestigte Negativattribute der kolonisierten „Rassen“ – welche sich unentwegt fortsetzen bzw. durchsetzen. Wie sich erkennen lässt, finden sich diese Zuschreibungen in Tagebüchern, Berichten, ethnografischen Protokollen und Kommentaren von Reisenden, Forscher*innen und Verwaltungsbeamt*innen, etc. im Globalen Süden.


Dieses Thema liegt mir persönlich sehr am Herzen und ich freue mich über euer Interesse. Meine Beiträge können vielleicht Irritationen oder auch in gewisser Weise ein Unverständnis oder/und ein Unwohlsein auslösen. Ich möchte keinesfalls eine "Reisespaßverderberin" sein, sondern auf ungleiche Verhältnisse aufmerksam machen und vermeintliche Normalitäten sowie vermeintliches Wissen versuchen aufzubrechen. Auch durch das Schreiben und Lesen kann eine Menge bewegt werden - so wie Ruth Ginsberg sagt:

Fight for the things you care about, but do it in a way that will lead others to join you.

Ich freue mich darauf, etwas in euch bewegen zu dürfen. Eure Claudia😎❤


Verwendete Literatur:

Bendix, Daniel (2015): Entwicklung. In: Arndt, Susan / Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.) (2015): (K)erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutscher Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, 2. Auflage, S. 272-278.


Glokal e.V., 2013: Mit kolonialen Grüßen… Berichte und Erzählungen von Auslandsaufenthalten rassismuskritisch betrachtet. 2. Überarbeitete Auflage.

Hall, Stuart (2012): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2, Argument Verlag 1994, Hamburg.


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